
Nach Debakel bei Bundestagswahl Christian Dürr zum FDP-Chef gewählt
Die FDP hat Christian Dürr zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er erhielt 82 Prozent der Delegiertenstimmen. Der frühere Fraktionschef tritt die Nachfolge von Christian Lindner an, der die Partei elf Jahre lang führte.
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hat die FDP ihren Erneuerungsprozess eingeleitet. Ein Parteitag in Berlin wählte den früheren Fraktionschef Christian Dürr mit 82 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Bundesvorsitzenden. Er löst Christian Lindner ab, der als Konsequenz aus dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Klausel bei der Bundestagswahl am 23. Februar das Amt aufgab. Auf Dürr, der ohne Gegenkandidaten antrat, entfielen 505 der 614 gültigen Stimmen - das sind rund 82 Prozent. Es gab 82 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen.
Dürr soll die FDP bei der nächsten Wahl in vier Jahren wieder zurück in den Bundestag führen. Seine erste Bewährungsprobe wird aber schon im März kommenden Jahres die Landtagswahl in Baden-Württemberg sein, das die Liberalen als ihr Stammland ansehen.
Zu Dürrs Stellvertretern wurden mit 69 Prozent Ex-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sowie mit jeweils 76 Prozent die Europapolitikerin Svenja Hahn und der NRW-Landespolitiker Henning Höne gewählt. Am morgigen Samstag soll zudem der Posten des Generalsekretärs nach dem Rückzug von Marco Buschmann neu besetzt werden - zur Wahl stellt sich die KI-Unternehmerin Nicole Büttner.
Dürr will neues Grundsatzprogramm und Parteireform
Dürr kündigte vor seiner Wahl an, er wolle ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten lassen und eine Reform der Strukturen und Prozesse in der FDP vornehmen. "Ich will, dass wir inhaltlich die modernste Partei in Deutschland sind. Ich will aber, dass wir auch organisatorisch die modernste Partei in der Bundesrepublik Deutschland werden."
Das neue Programm soll sich nicht auf das Grundsätzliche beschränken, sondern die liberalen Zielsetzungen und Überzeugungen in die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen übersetzen. Der Arbeitstitel könne "Freiheit konkret" sein. Dürr rief seine Partei auf, bei ihren Grundüberzeugungen Kurs zu halten. Bei der Wahl seien die Extreme die strahlenden Sieger gewesen, alle - auch die FDP - müssten sich daher hinterfragen. "Aber die Antwort kann nicht sein, dass man sämtliche Überzeugungen nach der Bundestagswahl über Bord wirft."
Nur 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl
Dürr rief die Liberalen zu Geschlossenheit auf und lehnte eine Kursänderung nach rechts strikt ab. Manche gäben der FDP jetzt den Ratschlag, sie solle mehr nach rechts rücken und "irgendwie konservativ werden". Andere erklärten, der Wirtschaftsliberalismus habe sich längst überholt. "Diese Sirenenrufe - wir hören sie, aber wir folgen ihnen nicht."
Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar nur 4,3 Prozent der Zweitstimmen geholt und ist seitdem nicht mehr im Bundestag vertreten. Dies war auch schon von 2013 bis 2017 der Fall. Damals hatte Lindner die Partei erst zurück in den Bundestag und dann 2021 in die Bundesregierung mit SPD und Grünen geführt, die aber vorzeitig zerbrach. Auch auf Landesebene sieht es schlecht für die Liberalen aus: Sie sitzen nur noch in 8 von 16 Landtagen.