
Mecklenburg-Vorpommern Schleswig-Holstein Mit Windkraft gegen Sabotage: So soll die Ostsee sicher werden
Spionage, Schattenflotte und Sabotage: Immer wieder wird die Ostsee zum Schauplatz eines hybriden Krieges zwischen Russland und der NATO. Zivile Infrastruktur wie Windparks soll nun für militärische Überwachung genutzt werden. Sicherheitsexperte Moritz Brake bezeichnet das als "höchst sinnvoll".
In der Ostsee sollen in Zukunft Offshore-Windparks und Öl-Plattformen genutzt werden, um feindliche Schiffe und U-Boote aufspüren und verfolgen zu können. Im Flächenentwicklungsplan (FEP) für das Jahr 2025, der vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erstellt wurde, heißt es: "Der Bundeswehr soll es möglich sein, auf Windenergieanlagen, Plattformen und sonstigen Energiegewinnungsanlagen, insbesondere auf Plattformen, feste Einrichtungen wie Sende- und Empfangsanlagen zu installieren und zu betreiben." Die gewonnenen Daten sollen anschließend verschlüsselt an Bundesbehörden übermittelt werden und so die Sicherheit stärken. Hintergrund ist, dass zuletzt immer wieder ausländische Schiffe ohne elektronisches Ortungssystem in der Ostsee unterwegs waren. Die Behörden vermuten, dass die Schiffe in vielen Fällen für Sabotage eingesetzt werden.
Betreiber sollen auch eigene Radaranlagen installieren
Eine Anordnung, die Betreiber verpflichtet eigene Radaranlagen zu installieren, hat bei ihnen für Aufregung gesorgt. Sie befürchten, als militärische Anlage betrachtet und so zum Ziel feindlicher Angriffe werden zu können. Zudem könnte die Installation der Technik unter Umständen mit einem ungeplanten großen Mehraufwand verbunden sein. Die Frage der Finanzierung ist in Teilen ebenfalls noch nicht geklärt.
Sicherheit im Ostseeraum: "Wir müssen sehr viel mehr tun"
Sicherheitsexperte Moritz Brake bezeichnet im Interview mit dem NDR die neuen Pläne für den Ostseeraum als "höchst sinnvoll" und betont: "Unsere maritimen Interessen sind vitale nationale Interessen." Kritische Infrastrukturen seien längst Ziele militärischer Gegner, ein besserer Schutz sei nun dringend notwendig.
Herr Brake, im BSH-Flächenentwicklungsplan sind Betreiber kritischer Infrastruktur jetzt erstmals dazu verpflichtet, Radaranlagen auf Windenergieanlagen zu installieren. Wie bewerten Sie das?
Moritz Brake: Das ist hoch sinnvoll. Natürlich müssen unsere kritischen Infrastrukturen auf dem Meer tief in die Sicherheitsarchitektur Deutschlands integriert werden. Das heißt: Einerseits müssen sie mitgedacht werden, wenn wir über unsere nationale Sicherheit denken, andererseits müssen die Betreiber auch selbst ihre Rolle im Gesamtsystem sehen. Das sind kleine technische Bestandteile, die aber einen wichtigen Aspekt beleuchten: Die Betreiber erheben durch Überwachungsmaßnahmen Daten und können damit unsere Sicherheit auf dem Meer substanziell stärken.

Moritz Brake: "Hier ist die Lebensgrundlage unserer gesamten Gesellschaft gefährdet."
Wie sieht die Nutzung dann konkret aus? Und welche Vorteile können die Beteiligten daraus ziehen?
Brake: Der Vorteil ist für alle Seiten gegeben. Die Betreiber ermöglichen, dass Behörden oder die Marine bestimmte Einrichtungen dort installieren - also in dem Fall Seeraumüberwachung oder Radaranlagen. Es entsteht ein Informationsaustausch. Die Betreiber profitieren, weil sie wissen, dass sie Teil eines Gesamtsystems sind, wo jemand auch nach ihnen schaut. Die Marine und die Sicherheitsbehörden profitieren davon, dass sie die Infrastruktur ganz anders nutzen und schützen können, wenn sie die wirklich guten Informationen der Betreiber haben.
Inwieweit könnten dadurch in Zukunft private Anlagen zu militärischen Zielen werden?
Brake: Ich fürchte in der gegenwärtigen Bedrohungssituation ist das längst Realität. Die Sabotageakte, die hybriden Bedrohungen, die Angriffe seitens Russlands, aber auch durch Unterstützung von China, dem Iran und Nordkorea - da merken wir, dass längst kritische Infrastrukturen Ziele unserer Gegner sind. Russland greift in der Ukraine regelmäßig Energieinfrastrukturen an. Das heißt also, bei jedem Angriff Russlands auf uns wäre unsere Energieinfrastruktur ohnehin ein Ziel. Es geht jetzt darum, sie besser zu schützen.
Einige Betreiber haben sich bereits skeptisch zu den Plänen geäußert. Wie können diese überzeugt werden?
Brake: Unsere Sicherheit und unsere Resilienz sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, nicht nur rein staatliche oder militärische. Jeder wird Beiträge leisten müssen, damit uns mögliche Gegner gar nicht erst angreifen wollen: staatliche Organe, aber natürlich auch Unternehmen, alle Organisationen, bis hin zu den einzelnen Bürgern. Ein Beitrag zur Resilienz ist obendrein auch für alle gerecht geregelt. Alle Lasten, die möglicherweise entstehen, beispielsweise durch Baukostenanteile, sind fair für alle Beteiligten verteilt. Hier kann sich also niemand über unfaire Behandlung beschweren. In unseren Nachbarstaaten in Europa sind das übrigens übliche Bedingungen.
Inwieweit ist Deutschland mit dem Sicherheitsausbau bisher zu langsam gewesen? Ist es jetzt vielleicht schon zu spät?
Brake: Ich glaube nicht, dass es zu spät ist. Es gibt unheimlich viele Potenziale in Deutschland, die aber auch geweckt werden müssen. Unsere maritimen Interessen sind vitale nationale Interessen. Das heißt also, hier ist die Lebensgrundlage unserer gesamten Gesellschaft gefährdet. Unsere politische Handlungsfähigkeit steht auf dem Spiel. Wir sind hier jetzt alle gefordert. Auch die Betreiber kritischer Infrastruktur müssen akzeptieren, dass wir mit dem Sicherheitsaufwand, den wir bisher getrieben haben, nicht mehr hinkommen. Wir müssen sehr viel mehr tun, denn andere übernehmen unsere Sicherheit nicht mehr für uns.
Das Interview führte Denis Mollenhauer, NDR Studio Rostock.
Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Aktuell | 15.05.2025 | 08:41 Uhr