
Schleswig-Holstein Antisemitismus in SH nimmt zu: 588 Vorfälle festgestellt
Fast 600 antisemitische Vorfälle hat die Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein (LIDA-SH) für 2024 verzeichnet - so viele wie noch nie seit deren Gründung.
Die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein (LIDA-SH) hat für das Jahr 2024 einen neuen Höchststand bei antisemitischen Vorfällen seit der Gründung festgestellt. Insgesamt verzeichnet sie 588 Vorfälle, wie sie am Donnerstag (15.5.) bekanntgab. 2023 waren es im Vergleich dazu 120 Fälle. Für 2024 bedeutet das, dass es mehr als 11 Vorfälle pro Woche gabe. Die Dunkelziffer sei vermutlich noch deutlich höher. Nur ein Bruchteil der Fälle werde wohl durch die Dokumentation abgebildet, so LIDA-SH.
Antisemitismus findet meist auf der Straße statt
Besonders häufig passieren antisemtische Vorfälle laut LIDA-SH im öffentlichen Raum, meist auf der Straße. Aber auch im eigenen Wohnumfeld würden Jüdinnen und Juden vermehrt mit Antisemitismus konfrontiert. Der Großteil der dokumentierten Fälle ist LIDA-SH zufolge unterhalb der Angriffsschwelle. Die Zahl der Vorfälle, bei denen von einem erhöhten Gefährdungspotential auszugehen ist, steige jedoch. Dazu zählen etwa körperliche Angriffe, Sachbeschädigung und Bedrohung.
Unsicherheit, Angst und Isolation bei Jüdinnen und Juden
Der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein ist über den Anstieg bestürzt. "Die Übergriffe, Bedrohungen und Anfeindungen haben ein Ausmaß erreicht, das uns in seiner Dimension und Aggressivität schockiert", so der Verband. Viele Jüdinnen und Juden im Land würden Unsicherheit, Angst und Isolation empfinden. Zugleich treffe dieser Anstieg die freiheitlich-demokratische Gesellschaft: "Antisemitismus ist ein Angriff auf Menschenwürde, Pluralismus und Toleranz."
Landesbeauftragter: Das ist ein Alarmruf
Der Beauftragte des Landes Schleswig-Holstein für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, sprach von erschütternden Zahlen. "Ein Anstieg antisemitischer Vorfälle um 390 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das ist nicht nur eine Statistik, das ist ein Warnsignal und ein Alarmruf", sagte er. "Diese Entwicklung fällt natürlich nicht zufällig auf die Zeit nach dem 7. Oktober 2023. An diesem Tag hat die Hamas Israel brutal und menschenverachtend überfallen. Die Auswirkungen dieses Terrors reichen weit über die Grenzen Israels hinaus." Er betonte: "Wir dürfen das nicht hinnehmen." Es sei Aufgabe von Politik, Zivilgesellschaft und jeder und jedem Einzelnen, dieser Entwicklung entgegenzutreten.
Leiter von Meldestelle: Viele fühlen sich ausgeschlossen
Viele Jüdinnen und Juden würden sich angesichts dieser Entwicklung nicht mehr als Juden zu erkennen geben, sagte Joshua Vogel, Leiter der Meldestelle von LIDA-SH. "Vermehrt hören wir aus unseren Netzwerken, dass sich Jüdinnen und Juden angesichts dieser Entwicklung von der Möglichkeit sozialer Teilhabe ausgeschlossen fühlen. Auch Orte des jüdischen Lebens, wie Gemeindehäuser oder Synagogen, werden nicht mehr uneingeschränkt als absolut sichere Orte wahrgenommen."
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 15.05.2025 | 10:00 Uhr