Soldaten der Bundeswehr beim Appell.

NATO-Ziel für Verteidigungsausgaben Grüne nennen Wadephuls Vorstoß "naiv"

Stand: 16.05.2025 07:42 Uhr

"Unseriös" und "naiv": Die Grünen haben die Ankündigung von Außenminister Wadephul, die Militärausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, scharf kritisiert. Kanzler Merz versuchte die Debatte zu bremsen.

Bei der Opposition stößt die Forderung von Außenminister Johann Wadephul nach einer Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung auf Kritik. Die Grünen warnen vor einer Anbiederung an US-Präsident Donald Trump und verlangen zunächst eine solide Planung auf Basis der Pläne, die auf dem NATO-Gipfel im Juni beschlossen werden sollen.

"Es wirkt etwas naiv, wenn Außenminister Wadephul denkt, er könne sich bei Präsident Trump anbiedern, indem er unseriös und jenseits des Koalitionsvertrages möglichst große Zahlen in den Raum wirft", sagte Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. "Stattdessen braucht es eine solide Planung basierend auf den modernisierten Verteidigungsplänen der NATO, die in ein paar Wochen auf dem Gipfel beschlossen werden."

Außenminister Wadephul hatte sich am Donnerstag Trumps Forderung nach einer starken Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf bis zu fünf Prozent der Wirtschaftsleistung angeschlossen. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte der CDU-Politiker bei einem NATO-Außenministertreffen in der Türkei.

Linke: "Das ist totaler Wahnsinn"

Auch die Linke übte Kritik an Wadephul. "Das ist totaler Wahnsinn, wer soll das denn bezahlen? Selbst wenn man dafür die Schuldenbremse aussetzt - irgendwann muss das jemand bezahlen", sagte Parteichef Jan van Aken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für eine reine EU- und Landesverteidigung brauche es das viele Geld nicht, und es wäre der Gipfel der Ungerechtigkeit, wenn am Ende kein Geld für Pflege, Bildung und Straßen da sei und ausgerechnet die Ärmsten dafür zahlen müssten, dass Wadephul die Forderungen Trumps umsetze. 

Merz: "Diskussion ist eine Hilfskonstruktion"

Bundeskanzler Friedrich Merz versuchte, die Debatte zu bremsen. "Diese Diskussion um Prozentzahlen vom BIP, das ist eine Hilfskonstruktion, um mal Richtwerte zu haben, in welche Richtung wir denn mit der Aufrüstung der Streitkräfte gehen", sagte der CDU-Chef am Abend in der ZDF-Sendung Maybrit Illner. Stattdessen sollte es seiner Meinung nach mehr um die konkreten militärischen Fähigkeiten gehen: "Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können." Auf die Fünf-Prozent-Forderung Trumps ging Merz nicht ein, auch nicht auf Wadephul. 

Zurückhaltung bei SPD

Zurückhaltung auch beim Koalitionspartner SPD - der offensichtlich von den deutlichen Äußerungen Wadephuls überrascht wurde. SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, im Koalitionsvertrag sei verabredet, dass man sich an die NATO-Fähigkeitsziele halten werde. Die Entscheidung darüber werde auf dem NATO-Gipfel getroffen. "Und dann wird sich Deutschland an diese Verabredung halten", so der neue Finanzminister. Er rate jedem in der Koalition, sich am Koalitionsvertrag zu orientieren.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte am Abend: "Entscheidend ist weniger die Prozentzahl. Entscheidend ist, dass die NATO-Fähigkeitsziele, die dann auch festgelegt werden, schnell, umfassend und zeitgerecht erfüllt werden." Natürlich werde am Ende über drei Prozent oder mehr geredet. Im Übrigen wisse auch Wadephul: "Die Aufstellung des Etats für Verteidigung liegt im Einzelplan 14, also in meinem Haus", so der SPD-Politiker.

Nötig wären 225 Milliarden Euro pro Jahr

Derzeit sieht das NATO-Ziel für die Verteidigungsausgaben jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Deutschland erreichte es 2024 knapp. Nach Angaben von Kanzler Merz würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr ein Plus von 45 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben bedeuten. Bei fünf Prozent wären derzeit Ausgaben in Höhe von 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Zur Einordnung: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro.

Rutte: Definition der Verteidigungsausgaben erweitern

Bei der Erfüllung eines höheren NATO-Ziels könnte der neuen Bundesregierung helfen, dass auch die Definition von Verteidigungsausgaben erweitert werden könnte. NATO-Generalsekretär Mark Rutte schlug vor, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausreichen könnten, sofern auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben werden. Das könnten etwa Investitionen in Bahnstrecken, Brücken oder Häfen sein.

Deutschland sei "entschlossen, dieses Bündnis stärker zu machen", sagte Wadephul zu Ruttes Vorschlag. Nachdem man die Verfassung geändert habe, könne man für Verteidigung ausgeben, was nötig sei. Die Bundesregierung unterstütze den Rutte-Vorschlag vollständig. 

In Deutschland war im Frühjahr - vor der Bildung der neuen schwarz-roten Koalition - beschlossen worden, einen bis zu 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf einzurichten, mit dem die Instandsetzung maroder Infrastruktur angegangen werden soll. Mit der zeitgleich beschlossenen Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gibt es zudem zumindest eine Grundlage für eine deutlich höhere BIP-Quote

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Mai 2025 um 08:54 Uhr.