
Africa GreenTec Vorzeigeunternehmen in Schieflage
Staatliche Stellen, private Anleger und Investoren gaben Africa Greentec Millionen, um die Sahelzone mit Solarstrom zu elektrifizieren. Doch nach WDR-Recherchen steckt die Aktiengesellschaft in finanziellen Nöten.
Gutes tun und damit auch noch Geld verdienen - Mit diesem Ansatz begeisterte das Sozialunternehmen Africa Greentec (AGT) jahrelang Kleinanleger, institutionelle Investoren wie Banken und Investmentgesellschaften sowie staatliche Stellen.
Die Idee: Mit kleinen Solarkraftwerken unzählige Dörfer der afrikanischen Sahel-Zone mit sauberem Öko-Strom versorgen. Hunderte Millionen Menschen in der Subsahara sollten versorgt werden, so die Vision des Firmengründers Torsten Schreiber. Eine gewaltige Aufgabe, ein gewaltiger Markt.
Fast zehn Jahre lang wurde AGT, das in Hainburg bei Frankfurt gegründet worden war, in Zeitungsartikeln, sozialen Medien und auf Nachhaltigkeitskonferenzen gefeiert. Im Herbst 2015 stellte Gründer Schreiber mit seinem Team den ersten "Solartainer" in Mali auf: einen rot-gelb-grün bemalten Frachtcontainer, auf dem schwarze Photovoltaik-Platten montiert waren. Ein mobiles kleines Kraftwerk, gebaut in Deutschland, verschifft nach Mali, eingesetzt auf dem Dorf.
Preisgekrönt
Schreiber wurde mit seinem Sozialunternehmen vielfach mit Preisen ausgezeichnet, etwa mit dem Hessischen Staatspreis, dem Public Value Award und dem Vordenker-Award. 2022 war das Sozialunternehmen Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis.
Im gleichen Jahr posierte Schreiber auf einem Foto mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz, der zum Afrika-Gipfel in den Senegal gereist war.
Aufsichtsrat "am Ende seiner Möglichkeiten"
Gutes tun und damit Geld verdienen - dieses Vorhaben könnte für manchen Africa Greentec-Anleger jetzt zu einem "Zu schön, um wahr zu sein" werden. Denn zehn Jahre nach dem Aufstellen des ersten Solartainers ist das Unternehmen nach WDR-Recherchen offenbar in finanzielle Nöte geraten. In einem Schreiben an die Aktionäre vom Mittwoch kündigte der Aufsichtsrat des Unternehmens an, geschlossen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zurückzutreten.
Ein möglicher Investor, der das Unternehmen als weißer Ritter mit frischem Geld retten sollte, habe sein Angebot zurückgezogen. "Wir, der Aufsichtsrat, ist damit am Ende seiner Möglichkeiten angelangt, das Unternehmen weiterhin sinnvoll zu unterstützen und glauben nicht, dass das Kontrollgremium in seiner derzeitigen Zusammensetzung seine Arbeit fortsetzen kann", heißt es in dem Schreiben, das dem WDR vorliegt.
Millionen aus Bundesmitteln
Viel Geld steht demzufolge nun auf dem Spiel, auch aus öffentlicher Hand. Für seine Solarprojekte sammelte das Unternehmen Millionensummen ein. So finanzierte allein die Deutsche Investitions- und Entwicklungshilfegesellschaft (DEG) eigenen Angaben zufolge 4,2 Millionen Euro aus Bundesmitteln in AGT-Projekte.
Auch bei privaten Investoren war Africa Greentec gefragt. Die erste Million hatte AGT 2015 bis 2017 über Crowdfunding eingesammelt und eigenen Angaben zufolge in fünf Container investiert. Über eine gemeinsame Firma mit einem Solarunternehmen begab AGT auch eine Unternehmensanleihe über zehn Millionen Euro.
Anleihekäufer konnten Afrika Greentec nun Geld leihen und sollten dafür 6,5 Prozent Zinsen bekommen. Weitere Crowdfundings in Millionenhöhe waren binnen weniger Tage überzeichnet. Zudem gaben auch namhafte und institutionelle Investoren Geld. Auch vom einstigen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Udo Phillipp, wurde bekannt, dass er in AGT investiert hatte.
Drohende Insolvenz?
Investoren sind nun offenbar in Sorge um ihr Geld und um die Zukunft des Unternehmens. Bereits Tage vor der Rückzugsankündigung des Aufsichtsrats soll in einer Schaltkonferenz von einer drohenden Insolvenz die Rede gewesen sein. So beschreiben es Teilnehmer des Video-Gesprächs.
Demnach führte der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Rams vor den Aktionären aus, dass bereits ein Insolvenzantrag vorbereitet sei. Wenn der neue mögliche Investor nicht mit einer Millionensumme aushelfe, drohe die Pleite. Darüber hinaus wurden die privaten Anleger gebeten, nochmals Geld in das Unternehmen zu investieren.
Investor bestätigt Absage
Auf Anfrage bestätigte der Investor gegenüber dem WDR nun, dass er nicht in Africa Greentec einsteigen werde. Letztendlich habe die Firma des möglichen Investors "die Chancen und Risiken, die sich aus eigenen Analyse und weiteren Gesprächen ergaben, gegeneinander abgewogen und sich am 13. Mai 2025 gegen ein wirtschaftliches Engagement bei dieser Unternehmensgruppe entschieden", schreibt ein Sprecher des Investors. Auch werde man sich nicht anderweitig "zusammen mit Torsten Schreiber unternehmerisch betätigen".
Nachdem der ersehnte Investor abgesprungen ist, herrscht Unruhe hinter den Kulissen. Aus dem Unternehmen heißt es auf Anfrage: "Die Africa GreenTec AG befindet sich derzeit in einer wirtschaftlich herausfordernden Lage, die auch für unsere Aktionärinnen und Aktionäre mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Der Vorstand arbeitet mit höchster Priorität an einer geordneten und tragfähigen Lösung zur Stabilisierung des Unternehmens."
"Komplexe" Gespräche
In den vergangenen Wochen habe man intensive Gespräche mit Investoren und Stakeholdern geführt, um frisches Kapital zu mobilisieren und eine Insolvenz zu vermeiden. "Diese Gespräche gestalten sich komplex und sind - wie in derartigen Situationen üblich - von unterschiedlichen Interessen und Erwartungen geprägt. Einzelheiten hierzu können wir aus Vertraulichkeitsgründen derzeit nicht kommentieren." Etwaige Hinweise auf Unregelmäßigkeiten würden mit dem gebotenen Ernst und der erforderlichen Sorgfalt behandelt.
Die Noch-Aufsichtsräte sowie Gründer und Mehrheitsaktionär Torsten Schreiber antworteten bislang nicht auf Fragen zu den Vorgängen.
Wertpapiere verloren an Wert
Unter den Anlegern herrschte vielfach schon seit längerem Unmut. In dem Gespräch Ende April wurden sie mit der harten Einschätzung konfrontiert, dass Africa-Greentec-Papiere, die Anleger teilweise für einige hundert Euro pro Stück erworben hatten, nunmehr nur noch eine einstellige Zahl an Euro wert seien. Immer wieder war die Rede davon, dass dem Unternehmen bald die Luft ausgehen könnte.
Manche Anleger und Insider sollen darüber hinaus Zweifel gehegt haben, ob das Geschäftsmodell tragfähig ist. Über den verkauften Strom, so ist es in Unternehmensveröffentlichungen zu lesen, sollten die Kosten wieder eingenommen werden und die Investoren Gewinne erzielen. Die Rückzahlung der Unternehmensanleihe, die zusammen mit einem Solarunternehmer ausgegeben worden war, ist inzwischen um viele Jahre verschoben worden. Auch die Zinsen für die Anleihe wurden gestundet.
Fakt ist, dass es im Unternehmen schon vor einiger Zeit größere Umstrukturierungen gab und Gründer Schreiber seit Ende 2023 zwar noch Mehrheitseigner, aber nicht mehr im Vorstand vertreten ist. Ende 2023 verließ er seine Rolle an der Spitze des Unternehmens. Fragen hierzu ließ Schreiber offen.