
Hunger im Gazastreifen Private US-Stiftung will bald Hilfsgüter verteilen
Im Gazastreifen droht eine Hungerkatastrophe. Seit zwei Monaten blockiert Israel Hilfslieferungen in den Küstenstreifen. Eine private US-Stiftung will nun Hilfsgüter verteilen. Bei neuen Angriffen soll es wieder viele Tote gegeben haben.
Eine eigens dafür gegründete private US-Stiftung will noch vor dem Ende des Monats mit der Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen beginnen. Die Stiftung teilte am Mittwoch mit, Israel habe zugestimmt, die Zahl der "sicheren Verteilungsstellen" für die Bevölkerung des Gazastreifens zu erhöhen. Sie habe Israel zudem darum gebeten, "Lösungen" für Palästinenser zu finden, die Verteilungspunkte im Norden des Gazastreifens nicht erreichen können. Laut Stiftung solle es vier Verteilungsstellen geben.
Hintergrund ist die Blockade Israels. Seit Anfang März ist der Gazastreifen abgeriegelt, keine Hilfslieferungen können mehr in den zu großen Teilen zerstörten Küstenstreifen gelangen. Die Bevölkerung ist darauf jedoch dringend angewiesen.
Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungerkatastrophe. Ende April erklärte das Welternährungsprogramm (WFP), seine Lebensmittelvorräte in dem Palästinensergebiet aufgebraucht zu haben. Am Montag teilte das WFP mit, dass für rund 470.000 Menschen das äußerste Stadium einer Ernährungskrise eingetreten sei, sie drohten zu verhungern. Seine Blockade begründet Israel damit, dass humanitäre Hilfe in die Hände der radikal-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas falle.
Unter Beteiligung von US-Firmen
Vergangene Woche hatte das US-Außenministerium die Gründung der privaten Stiftung bekanntgegeben, die künftig federführend an der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen beteiligt sein soll. Viele Details zu der Organisation sind bisher nicht bekannt. Nach Angaben einer mit der Angelegenheit vertrauten Person sind das US-Sicherheitsunternehmen UG Solutions und das US-amerikanische Logistik- und Planungsunternehmen Safe Reach Solutions an den Aktivitäten der Stiftung beteiligt, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.
Geleitet werden soll die Stiftung nach eigenen Angaben von ehemaligen Führungspersönlichkeiten der UN, der Katastrophenhilfe und ehemaligen Militärs. Die Spenden sollen öffentlich nachvollziehbar und überprüfbar sein, so die Stiftung.
USA: Israel nicht an Verteilung der Hilfen beteiligt
Im Gazastreifen tätige UN-Organisationen und andere Hilfsorganisationen erklärten, Israel wolle das bisherige Verteilungssystem für Hilfsgüter abschaffen. Demnach sollen die Güter künftig nach von der israelischen Armee festgelegten Bedingungen geliefert werden.
Nach den Worten des US-amerikanischen Botschafters in Israel, Mike Huckabee, soll das israelische Militär die Sicherheit der Verteilungsstellen gewährleisten, aber nicht an der Verteilung von Lebensmitteln oder deren Transport in den Gazastreifen beteiligt sein. Israel unterstützt den "humanitären Plan der USA". Dieser ähnelt Plänen der israelischen Regierung.
Kritik von Hilfsorganisationen
Kritiker werfen der israelischen Führung vor, diesen akuten Mangel durch ihre Art der Kriegsführung überhaupt erst herbeigeführt zu haben. Kritik an Israels Blockade kommt auch aus der Europäischen Union.
Die Vereinten Nationen kritisieren zudem die Pläne der Stiftung. Das Kinderhilfswerk UNICEF hält die Pläne für gefährlich: Sollten Güter wie angekündigt nur in bestimmten Verteilzentren ausgegeben werden, könnten Zivilisten auf dem Weg dorthin ins Kreuzfeuer des Krieges geraten, sagte Sprecher James Elder. Alte, behinderte Kinder, Kranke und Verletzte könnten die Verteilzentren überhaupt nicht erreichen.
Das Konzept der Stiftung, die erst seit Ende Januar existiert, sei weitestgehend identisch mit dem bereits bekannten Plan der israelischen Regierung, sagten zwei UN-Quellen, die nicht genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur dpa. Israels Plan war zuvor von UN-Organisationen ebenfalls abgelehnt worden. "Der Plan erfüllt nicht die Mindestanforderungen für humanitäre Arbeit", bekräftige UN-Nothilfe-Sprecher Jens Laerke.
Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz äußerte Bedenken. "Humanitäre Hilfe darf weder politisiert noch militarisiert werden. Die Not der Zivilbevölkerung in Gaza ist derzeit überwältigend, und Hilfsgüter müssen unverzüglich und ungehindert ins Land gelangen können", erklärte IKRK-Sprecher Steve Dorsey. Die US-Regierung hat die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen aufgefordert, mit der Gaza Humanitarian Foundation zusammenzuarbeiten.
Erneut Berichte über viele Tote durch israelische Angriffe
Ungeachtet der Kritik hält die israelische Regierung an ihrem Ziel fest, die Hamas völlig zerschlagen zu wollen. Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte angekündigt, die Militäroffensive im Gazastreifen zu diesem Zweck nochmals ausweiten zu wollen.
Palästinensischen Quellen zufolge attackierte das israelische Militär auch in der vergangenen Nacht und in den Morgenstunden Ziele im Gazastreifen. Die Angaben zu den Opfern schwanken, die Angaben können unabhängig kaum überprüft werden. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete 39 Todesopfer, darunter viele Frauen und Kinder. Allein im Gebiet rund um die Stadt Chan Junis seien mindestens 27 Menschen durch die israelischen Angriffe getötet worden. Der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz im Gazastreifen sprach von mindestens 50 Todesopfern.