
Brandenburg Bislang kein konkreter Plan für die Zukunft der Lausitz ohne Kohle
Die Leag-Beschäftigten fürchten um die Energieregion Lausitz. Der Kohleausstieg rückt immer näher, doch es fehlt weiter ein verbindliches Konzept für die Zukunft der Kraftwerksstandorte. Der Betriebsrat fordert vom Bund klare Weichenstellungen. Von Andreas Rausch
- Abschalttermine für letzte Kohlekraftwerke der Lausitz stehen
- Termine für zugesagte Zukunfts- und Strukturinvestitionen gibt es aber nicht
- Abwanderung der jungen Gutausgebildeten aus der Lausitz droht
- Sorge um Nachteile bei Bundeshilfen
Noch drei Jahre – dann ist Schluss. Dann wird eine der einst größten Dreckschleudern Deutschlands endgültig abgeschaltet. In Jänschwalde stellt das Großkraftwerk, das vorletzte im brandenburgischen Revier, mehr als 50 Jahre nach seinem Bau dann den Betrieb ein.
Die Abschaltung steht so im Kohleausstiegsgesetz, das 2020 nach einer breiten gesellschaftlichen Debatte einen Fahrplan für die Abkehr vom klimaschädlichsten Energieträger im deutschen Stromsystem aufgezeigt hatte. Bereits 2024 war die Kohleförderung im angrenzenden Tagebau Jänschwalde eingestellt worden. Als dann letztes Kohlekraftwerk in Brandenburg arbeitet Schwarze Pumpe noch bis zur Ziellinie weiter. 2038 soll auch da der Abschied vom fossilen Zeitalter in der Stromerzeugung erfolgen.

Doch was dann?
"Wir brauchen endlich Taten statt Powerpoint-Präsentationen“, mahnt der Leag- Betriebsratsvorsitzende Toralf Smith. Denn bisher gibt es für eine mögliche Nachnutzung der Kraftwerkstandorte in der Lausitz nur politische Willensbekundungen – allerdings keine verbindlichen Investionsentscheidungen oder Weichenstellungen der Politik.
290 Mitarbeiter der Leag arbeiten allein in Schwarze Pumpe, die Belegschaft hat ein Durchschnittsalter von 42 Jahren. "Das ist Goldstaub für einen Industriebetrieb. Und diese Menschen brauchen Perspektive, sonst sind sie weg", sagt Smith.
Das ist Goldstaub für einen Industriebetrieb. Und diese Menschen brauchen Perspektive, sonst sind sie weg
Mit CO2-Zertifikaten zu klimafreundliche Energiealternativen?
Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, will die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden, das heißt, netto keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen. Erreicht werden soll das vor allem durch einen effektiven Handel mit sogenannten Verschmutzungszertifikaten. Kurz gesagt: Wer CO2 in die Luft bläst, muss dafür zahlen, schrittweise immer mehr, wobei die Anzahl der Zertifikate kontinuierlich abnimmt. Über dieses Marktinstrument sollen Unternehmen zu Investitionen in klimafreundliche Alternativen gedrängt werden. Deutschland hat sich noch schärfere Ziele gesetzt, hier soll bereits 2045, also fünf Jahre früher als in den anderen EU-Ländern, die Klimaneutralität erreicht werden.
Nach dem erfolgten Atomausstieg steht nun also der Kohleausstieg an, allerdings liefern die sogenannten erneuerbaren Energien, vor allem Sonne und Wind, nicht kontinuierlich ab. Der erzeugte Strom ist in seiner Menge stark schwankend, trotz des massiven Ausbaus in den letzten Jahren. 2024 stieg der Anteil der Erneuerbaren an der deutschen Stromerzeugung auf fast 62 Prozent (Quelle: Fraunhofer ISE), während der Anteil des Braunkohlestroms bei 17,2 Prozent lag. Allerdings braucht das System Backup-Varianten, die die Versorgungssicherheit aufrecht erhalten, wenn gerade in den dunklen Jahreszeiten wenig Sonne und Wind verfügbar sind. So waren beispielsweise im trüben November 2024 mehrere Tage kaum fünf Prozent Erneuerbare im Netz.

Kein Kraftwerkssicherungsgesetz - kein Plan?
Wenn die Kohlekraftwerke nicht mehr zur Verfügung stehen, sollen künftig moderne Gaskraftwerke ihre Rolle übernehmen, idealerweise gefeuert mit sogenanntem grünen Wasserstoff, der per Elektrolyse aus Überschüssen erneuerbarer Energien und Wasser gewonnen wird. Die Leag plant konkret mit solchen neuen Kraftwerken an ihren Standorten Schwarze Pumpe (Brandenburg) und Lippendorf (Sachsen).
Ex-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bü'90/Grüne) hatte diese Pläne bei einem Besuch ausdrücklich unterstützt. Es entsprach den Vorstellungen der Ampel, die es allerdings versäumte, bis zu ihrem Ende ein tragfähiges Konzept dafür zu erarbeiten, das sogenannte Kraftwerksicherheitsgesetz.
Als kompliziert erwiesen sich dabei mehrere Punkte: Wie soll Investoren die milliardenteure Investition in neue Kraftwerke schmackhaft gemacht werden, wenn sie als "Ausputzer" eines volatilen Energiesystems kaum natürliche Gewinne machen können? Woher kommt eigentlich der grüne Wasserstoff in den erforderlichen Mengen zu bezahlbaren Preisen? Und wo sollen diese Kraftwerke eigentlich stehen?
Energiewirtschaft ist ein träger Dampfer – Planungssicherheit ist hier wichtiger als in vielen anderen Bereichen. Das Gesetz gibt es bis heute nicht. Die Ampel zog es noch im letzten Jahr als Entwurf zurück, die Mehrheiten im Bundestag waren angesichts der bevorstehenden Neuwahl nicht mehr zu erreichen, außerdem wäre die milliardenschwere Anschubfinanzierung mit dem Rumpfhaushaltsspielraum nicht mehr zu stemmen gewesen.
Es gibt also weiter keine Planungs- und damit Investitionssicherheit für neue Backup-Kraftwerke. Und ein Neubau dauert etwa vier Jahre, bei fortlaufendem Kohleausstieg fehlen also zunehmend die Ersatzkapazitäten.

Und die Lausitz?
Auch für Energieunternehmen wie die Leag in der Lausitz mit etwa 7.000 Mitarbeitern bedeutet dies alles Zeitverzögerung und Unklarheit, was ihre eigenen Standorte und deren Zukunft angeht. Die Leag will in Schwarze Pumpe und Lippendorf wasserstofffähige Gaskraftwerke errichten, als Teil ihres grünen Umbaus, der mit gigantischen Investitionen in Wind- und Solarenergieanlagen auf Braunkohletagebaukippen einhergehen soll.
Jänschwalde ist als potenzieller Standort wohl raus aus der Rechnung. Hier wird schon 2028 die letzte Kohle verstromt – ein Gaskraftwerk dort als Ersatz zu bauen, ist nicht mehr realistisch. Zumal es für diesen Traditionsstandort im Moment eher um generelle Fragezeichen einer Transformation geht. Kürzlich wurde das noch in klassischer DDR-Industriekultur errichtete Kraftwerksgelände vom Land unter Denkmalschutz gestellt, mit allen Unklarheiten, was Investitionen und einen zuletzt wahrscheinlicheren Umbau zu einem Industriegebiet betrifft.
Belohnung für Versäumnisse in der Vergangenheit?
Im zuletzt vorliegenden Entwurf für ein Kraftwerksicherheitsgesetz stieß der Leag vor allem der sogenannte Süd-Bonus auf. Das bisherige grüne Wirtschaftsministerium hatte vor, gerade den industriestarken Südwesten der Republik mit Ausschreibungsvorteilen für Neubaukraftwerke zu bedenken, um dort strukturelle Lücken zu schließen. Für die Entwicklung der Lausitzer Standorte gab es unter Rot-Grün-Gelb zwar politische Absichtserklärungen – aber keine konkreten Zusagen.
"Brandenburg hat mit der Energieregion Lausitz seine Hausaufgaben gemacht. Unsere bisherige Leistung für das deutsche Energiesystem muss auch in der Transformation honoriert werden", sagt der brandenburgische Staatssekretär Tobias Dünow (SPD) aus dem Wissenschaftsministerium des Landes. Betriebsrat und Gewerkschaft IGBCE fordern dagegen statt eines Bonus' für Baden-Württemberg und Bayern einen Transformationsbonus für die Lausitz. Andere Regionen dürften nicht für ihre Versäumnisse in der Vergangenheit belohnt werden, vielmehr solle die Leistung gebeutelter Regionen wie der Lausitz für das gesamtdeutsche Stromsystem auch im Wandel honoriert werden.

Doch schon als die Lausitz und damit auch ihre Kraftwerksstandorte sich nicht im verbindlichen Wasserstoffkernnetz widerfanden, also ohne Anschluss an die künftige Energieträger-Lebensader für industrielle Abnehmer, wurden Zweifel an den Transformationsplänen der Energieregion, also weg von der Kohle hin zu klimafreundlichen Technologien, laut.
Und nun?
Die CDU/CSU hatte vor der Wahl angekündigt, auch das Kraftwerksicherheitsgesetz einer Überarbeitung zu unterziehen. In den Debatten darum beklagte die Union nicht nur, dass mit der einseitigen Fixierung auf grüne Wasserstofftechnologie die teuerste und langsamste Lösung favorisiert werde, was den Umbau des Systems eher bremsen würde und zudem die Versorgungssicherheit gefährde.
Nach der Wahl wolle man dieses Thema mit hoher Priorität angehen, vor allem müsse künftig gelten: Bevor abgeschaltet werde, müsse funktionierender Ersatz vorhanden sein. Diese Haltung hat es auch in den Koalitionsvertrag der CDU/CSU-SPD-Regierung geschafft. Dort bekennt sich die Regierung zwar zum massiven Ausbau neuer Gaskraftwerke, die vorgesehene Kapazität der Ampel-Vorarbeiter soll nochmal deutlich erhöht werden, aber will auch erst Kohlekraftwerke abschalten, wenn die neuen Kraftwerke tatsächlich gebaut worden sind.

Steht der Kohleausstieg bis 2038 weiter?
Experten halten es für denkbar, dass dadurch auch der Kohleausstieg bis 2038 beeinflusst werden könnte. Außerdem soll es keine verbindlichen Festlegungen in der Planung geben, dass die neuen Gaskraftwerke bis 2030 wasserstofffähig sein müssen.
Fakt ist: Das von der Ampel vorbereitete Gesetz will die neue Koalition nicht umsetzen. Damit ist auch der in der Lausitz kritisch gesehene Süd-Bonus im bisherigen Papier nicht mehr aktuell. Vom Tisch allerdings ist diese de facto Benachteiligung bei der Vergabekapazität noch nicht. Zwar hat die neue Koalition das angepeilte Ausbauziel für Gaskapazität im Vergleich zum Ampelentwurf nahezu verdoppelt – aber es gibt immer noch keine Verbindlichkeit.
"Wir fordern eine Zukunft für Schwarze Pumpe mit künftig zwei Blöcken, damit hätte das Kraftwerk mit dem neuen Energieträger dieselbe Leistung wie das bisherige Kohlekraftwerk. Das würde mehr als 100 Menschen sichere Arbeit geben und Abwanderung verhindern. Und wir fordern vom Unternehmen endlich schnelle Investitionsentscheidungen in diese Richtung“, sagt Betriebsrat Smith.
Wann ein notwendiges Gesetz nun auf den Weg gebracht wird und welche Auswirkungen das für Brandenburg haben wird, dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium nach rbb-Anfrage bislang keine Antwort gegeben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.05.2025, 10:20 Uhr